Praxisgründung - Teil 2

Phasen der Existenzgründung / Praxisgründung - Teil 2

Die einzelnen Teilprozesse der Praxisgründung

Wie Sie aus der Überschrift entnehmen können, werde ich in diesem Teil des Artikels auf die einzelnen Teilprozesse der Existenzgründung für Zahnärzte eingehen.
Bevor ich die Teilprozesse darstelle, möchte ich mich kurz wiederholen. Ein wichtiger Teilprozess mit Engpass bei einer Existenzgründung kann bei einer anderen völlig uninteressant sein und umgekehrt.
Deshalb habe ich mich bewusst gegen eine Darstellung in Form eines Zeitstrahles entschieden, weil dieser scheinbar eine regelmäßige Terminierung vorspiegeln könnte, die im Einzelfall aber völliger Unsinn sein kann.

Die Teilprozesse im Überblick:

Klärung der Unternehmensform

Dieser, sowie der zweite Punkt “Standort” sollten schon im schriftlich formulierten „unternehmerischen Praxiskonzept“ beantwortet sein. Deshalb stelle ich diese an die oberste Stelle.
Einzelpraxis, BAÜG stehen in erster Linie zur Disposition. Was passt zu Ihrem Charakter?

Standort der Zahnarztpraxis

Ausland, Inland, welches Bundesland, welcher Landstrich. Stadt oder Land?

Ist der Zahnarzt schon in das Zahnarztregister eingetragen?

Jeder Zahnarzt muß für die Übernahme einer Praxis bei der KZV vorweisen, dass er in das Zahnärzteregister eingetragen ist.

Praxissuche

Hier kann man Praxisbörsen, Zeitschriften, persönliche Kontakte, Depots etc. bemühen.
Tipp Je mehr Praxen Sie sehen, umso besser. Man weiß nie exakt genau was man will, aber nach dem Ausschlussprinzip sammeln Sie bei Praxisbegehungen Erfahrungen, was Sie auf keinen Fall möchten. Und hier setzt sich nach und nach mosaikartig ein Puzzle zusammen.

Formulierung von Mussanforderungen an die Praxis.

Es macht Sinn alle KO-Kriterien zu formulieren, anhand der man jede Praxis die man besichtigt, besser messen kann. Das gibt einem schneller eine bessere Übersicht. Beispielsweise: Wie viele Behandlungseinheiten sollte eine Praxis mindestens aufweisen.

Kaufpreis und deren Verhandlung, Bewertungsgutachten

Ist dieser abnorm hoch muss dies ein Berater übersetzen. Besteht die Möglichkeit des Verhandelns? Welche Unterlagen führen zur Kaufpreisfindung und was sind Argumente für Kaufpreisminderungen? Hier ist in der Praxis von Seiten des Abgebers alle möglichen Arten des Informationsflusses anzutreffen. Die Bandbreite reicht von einem vorgelegten umfangreichen detaillierten Unternehmensbewertungsgutachten bis hin zu einer ohne jegliche Unterlagen unterfütterte zugerufene Kaufpreissumme. Der Berater muß Vorgaben machen welche Unterlagen er benötigt, um die finanzielle Lage der Praxis zu beurteilen.
Klassiker der Kaufpreisminderung sind sinkende Patientenzahlen, die Vollzeitmitarbeit der Ehefrau des Abgebers, die aber nur mit 400 EUR monatlich vergütet wird, ein überhöht bewertetes Anlagevermögen und vieles mehr. Nur ein Zahnärzteberater, der die Branche genau kennt, deckt diese Mägel vollends auf.
Ein detailiertes Bewertungsgutachten wird selten von Seiten des Praxisabgebers vorliegen. Es macht aber auch keinen Sinn von Seiten des Übernehmers dieses in Auftrag zu geben. Eine Praxisübernahme ist in den meisten Fällen ein sehr persönlicher Prozess, welchen der abgebende Zahnarzt als Verkäufer wesentlich bestimmt.

Leistungsgebot und Persönlichkeit

Man muss sich die Frage stellen, ob man alle Leistungen anbieten kann, welche bisher in der Praxis angeboten wurden. Sind die Fußstapfen des abgebenden, bekannten und beliebten Professors zu groß? Kann man überhaupt die Höhe des Zahnarzthonorares bewältigen?

Tipp: Hospitation um zumindest einen Eindruck zu erhalten.

Standortanalyse

Standortanalysen werden von Depots, teilweise von den KZVen oder dem Zahnarzt selber erstellt. Wie viele Behandler, wie viel Einwohner, deren Kaufkraft, welches Geschlecht haben die Kollegen, welche Tätigkeitsschwerpunkte und wie alt sind diese. Gibt es Demarkationslinien, wie beispielsweise einen Fluß.

Vergleich zweier interessanter Zahnarztpraxen, Entscheidung

Um zu einer guten Entscheidung zu kommen, kann man sich struktureller Hilfsmöglichkeiten bedienen. Erst wenn dem Zahnarzt alle wesentlichen Informationen vorliegen, kann er seine Entscheidung treffen.

Vertragsgestaltungen Praxisübernahmevertrag, Vertrag einer Berufsausübungsgemeinschaft, Praxisgemeinschaftsvertrag und Mietvertrag

Der auf Zahnärzte spezialisierte gesellschaftsrechtliche Rechtsanwalt muss ans Werk. Meine Erfahrung ist, dass viele Juristen gesellschaftsrechtliche Beratung anbieten. Die Praxis sieht allerdings so aus, dass wenige die Spezifika der Zahnarztbranche beherrschen. Gerne werden die Vorbehalte der Vermieterzustimmung oder der nicht mehr so bedeutenden Zustimmung der KZV vergessen. Auch Haftungsfragen etc. sind häufig unzureichend bestimmt. Die wesentlichen Determinanten von Mietverträgen sind hinsichtlich Laufzeiten, Umsatzsteuern, Rückbauverpflichtungen etc. zu betrachten. Insofern sollten hier ebenfalls Branchenkenner die Beratung übernehmen.
Kriminell wird es leider häufig bei der Einbringung von Praxen in Berufsausübungsgemeinschaften, weil kaum Know-How bezüglich des Umwandlungssteuerrechtes existiert. Ein Jurist sollte in solchen Fällen zwingend mit einem versierten Steuerberater zusammenarbeiten.
Der spezialisierte Rechtsanwalt macht alle Schwächen des Vertrages transparent und macht Vorschläge der Wichtigkeit nach zu deren Bereinigung.

Tipp: Das Investment in einen spezialisierten Rechtsanwalt steht bei einem Investment von durchaus mehreren hundert tausend EURO in einem sehr guten Verhältnis. Wenn hier etwas schief geht, dann kann es richtig teuer werden. Wichtig ist die gezielte Vorbereitung auf das Gespräch der Vertragsverhandlung.

Investitionsplan und Beauftragung

Wie bereits im Beispiel weiter oben erwähnt: Zunächst sind alle Umbaugewerke zu identifizieren und dann zu beauftragen. Hier helfen häufig Depots. Wichtig, es sollte eine Verantwortlichkeit für die Terminierung geben. Jeder Tag einer verspäteten Eröffnung kostet den Zahnarzt im Regelfall zwischen 1.500 und 2.500 EUR.

Darlehensgestaltung

Der Banker sollte fast ausschließlich mit Ärzten / Zahnärzten zu tun haben. Banken die diese Klientel nicht im Fokus haben, haben ein dementsprechendes schlechteres Rating (Einschätzung der Bonität) dieser Berufsgruppe. Dieses führt häufig dazu, dass zusätzliche Sicherheiten gefordert werden. Teilweise wird mit fragwürdigen Finanzierungskonstrukten gewinnoptimierend für die Bank gearbeitet.
Wie bei den meisten Punkten ist auch für die Darlehensgestaltung keine allgemeingültige Aussage zu treffen. Ein endfälliges Darlehen kann z.B. je nach Lebenssituation des übernehmenden Zahnarztes sinnvoll sein, wohingegen es in der Branche ein eher zweifelhaften Ruf genießt. Bei endfälligen Darlehnsmodellen wird der Kredit nicht kontinuierlich über die Jahre in kleineren Raten getilgt, sondern komplett am Ende der Laufzeit. Das dazu benötigte Kapital wird mit einem sogenannten Tilgungsersatzinstrument in Form von Lebens-, und Rentenversicherungen oder auch Aktiendepots über die Jahre angespart. Möchte der Zahnarzt in absehbarer Zeit nach dem Praxiskauf eine eigen genutzte Immobilie erwerben, dann würde er mit dieser Maßnahme steuerlich abzugsfähige Zinsen gegen steuerlich nicht abzugsfähige Zinsen tauschen können. Insofern sind hier viele Spielarten denkbar, der spezialisierte Banker kennt die Feinheiten und der Zahnarzt merkt den Unterschied in der Beratung auch was den Umgang mit öffentlichen Förderdarlehen angeht.
Der Frage nach dem Kontokorrent (flexibles Darlehenskonto) wird in der Beratung häufig eine untergeordnete Rolle beigemessen. In der Tat ist dieser in der Regel für einen ganz kurzen Zeitraum von 6 Monaten nach der Existenzgründung existentiell wichtig und die eingeräumte Höhe dieses Darlehens ist individuell zu bestimmen.

Informationen über Förderungsmöglichkeiten

Es gibt Förderprogramme für zinsverbilligte Kredite für Existenzgründer. Diese Informationen erhält man standardseitig bei jeder Bank. Vorab kann man sich über die Internetseiten der KFW-Bank (www.kfw.de/kfw/de/Inlandsfoerderung/Programmuebersicht/index.jsp) oder jeweiligen Landesbanken (In Baden Württemberg www.l-bank.de) einen Überblick über die Konditionen verschaffen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Ende April 2012) existiert ein historisches Zinstief, so können Existenzgründer zu 2 -2,5 % je nach Laufzeit der Darlehen finanzieren.
Allerdings gibt es für bestimmte Praxisübernahmen spezielle Förderprogramme. So werden Praxisgründungen in ländlichen Gebieten zusätzlich gefördert, teilweise werden nicht rückzahlbare Zuschüsse zu Investitionen geleistet.
Der beim Arbeitsamt über den europäischen Sozialfonds beantragbare “Existenzgründerzuschuß” wird ab dem 01.01.2012 nur noch in sehr seltenen Fällen gewährt.

Umgang mit den Mitarbeitern

Um einen Einblick in die Personalstruktur zu erhalten ist ebenfalls eine Hospitation unabdingbar. Von einem eingeschworenen Team bis hin zu einer zutiefst zerstrittenen Belegschaft sind alle Varianten antreffbar. Zunächst sollte der Zahnarzt sich bemühen jeden einzelnen Mitarbeiter kennenzulernen und entsprechend seiner Leistungsfähigkeit einzuschätzen.
Es kann auch Defizite bei Teamaufgaben geben. Beispielsweise sind häufiger erhebliche Defizite bei der Bedienung der Abrechnungssoftware festzustellen. Umbauarbeiten können insofern genutzt werden, als dass das Team sich in dieser Zeit Kenntnisse über die Software über Seminare oder learning by doing aneignet.
Aufgrund des Betriebsüberganges nach § 613a BGB genießen übernommene Mitarbeiter ein Jahr lang Kündigungsschutz. Tiefgreifende Restrukturierungen der Belegschaft sind in dieser Zeit so gut wie ausgeschlossen. Die Abgeber haben über diesen Betriebsübergang die Mitarbeiter zu unterrichten.

Unternehmensplanung

Für Existenzgründer sollte im Regelfall eine dreijährige Planung von Umsätzen und Betriebsausgaben ausgeführt werden. Der Vorteil einer Planung ist, dass man Soll- und Istzahlen miteinander vergleichen kann und so einen schnelleren Überblick über Fehlentwicklungen hat. Zusätzlich sollten Liquiditätszahlen dargestellt werden.
Gut ist wenn diese Zahlen sauber aufbereitet im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Auswertung dargestellt werden und quartalsweise zur Verfügung stehen.

Klärung von Fragen mit der kassenzahnärztlichen Vereinigung

Folgende Fragen sind wichtig:

  1. Welches Budget im Bereich von Kons/Chir wird dem jungen Zahnazrt zugestanden? Das vom Abgeber oder ein festes in der KZV definiertes Neugründerbudget?
  2. In welcher Höhe findet in den ersten Monaten die Vergütung für Kons/Chir statt? Werden die Vorauszahlungen des Abgebers weitergezahlt oder läßt sich die KZV am Ende des ersten Monates die Leistungsstatistik übermitteln und zahlt davon nur einen gewissen Prozentsatz aus?

Wir haben in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass diese Fragen nicht nur in den verschiedenen KZV-Bereichen unterschiedlich beantwortet werden, sondern auch im Zeitablauf in der jeweiligen KZV unterschiedliche Statements abgegeben werden. Die KZV wird die mündlich getätigten Auskünfte nicht schriftlich bestätigen, insofern kann der Zahnarzt eine schriftliche Zusammenfassung erstellen und diese der KZV zur Kenntnis übermitteln.

Preisgestaltung

Bevor die Praxis eröffnet wird, sollte die Preisgestaltung von Zuzahlungen und Privathonoraren festliegen. Diese sollte sich an der Preisgestaltung des Abgebers orientieren. Preiserhöhungen sollten sensibel gehandhabt werden. Dem Team bzw. der Stuhlassistenz sollte klar vermittelt werden, warum „ab jetzt“ für bestimmte Leistungen andere bzw. überhaupt Zuzahlungen eingeführt werden müssen. Nur wenn die Helferin von der Notwendigkeit überzeugt ist, wird sie den neuen „Preis“ auch vor den Patienten sicher vertreten können.

Versicherungen und Absicherungskonzepte

Ein nur auf Zahnärzte spezialisierter Finanzdienstleister kennt alle relevanten Produkte für Zahnärzte. Wichtig ist die Beratung wegen der Berufshaftpflicht, wegen Elementarschäden- und Elektronikversicherung.
Zusätzlich sind für Verheiratete Risikolebensversicherungen sehr wichtig im Rahmen der Darlehensaufnahme bei Existenzgründung und generell ist die Beratung über Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherungen wichtig in Zusammenhang mit der Gründung einer Praxis.

Vernetzung der Praxis, Praxissoftware

Diesen Punkt habe ich extra aufgeführt obwohl der eigentlich zu den Investitionen dazugehört. Liegt eine Vernetzung vor, wird diese gegenwärtig genutzt bzw. wie ist es um die Schnelligkeit des Netzwerkes bestellt? Muß eine neue Verkabelung gelegt werden? Soll eine neue Praxissoftware etabliert werden? Wie sind die Voraussetzungen der Software für Netzwerk und Rechner? Ist der Server ausreichend? Ist die Frage der täglichen Datensicherung hinreichend geklärt? Wer ist Datenschutzbeauftragter oder wird das von einer externen Gesellschaft übernommen?

Corporate Identity

Nach wie vor mache ich die Erfahrung, dass dieses Thema erheblich unterschätzt wird und die jungen Zahnärzte Investitionen in diesem Bereich tendenziell scheuen. Praktische Erfahrungen zeigen aber, dass ein Investment gerade hinsichtlich der Homepage eine erhebliche Auswirkung auf die Neupatientenquote hat. Das Image der Praxis und zwar einerseits das einheitliche Auftreten in der Praxis von Seiten der Helferinnen und andererseits das Auftreten nach Außen über Homepage, Gelbe Seiten, Telefonbuch, Visitenkarten, Briefbögen, Imagebroschüren etc. ist mittel- und langfristig ein wichtiger Bestandteil des nachhaltigen Erfolges.
Gibt es eine öffentliche offizielle Einweihung der Praxis, mit Pressetermin etc.

Tipp: Wichtig ist u. a. die Kleinigkeit wie Weiterführung der Telefonnummer der Praxis.

Inkasso

Das Inkasso von Zuzahlungsrechnungen und Privathonoraren können Abrechnungsgesellschaften übernehmen bzw. die Praxis selber. Es sollte für den Einzug der Praxisgebühren ein EC-Cash-Gerät vorliegen, welches bei den Banken erhältlich ist.

Tipp: Ich empfehle zur Übernahme der Zahnarztpraxis das Inkasso einer Abrechnungsgesellschaft zu übergeben. Damit hat man bei der Übernahme eine Baustelle weniger und man hat die Liquiditätsfrage, die gerade in den ersten Monaten eine zentrale Rolle spielt, geklärt.

Gestaltung von Bankkonten

Damit die Finanzsströme der Praxis nicht völlig unübersichtlich werden, ist es sinnvoll mehrere Bankkonten anzulegen.

Tipp: Neben 1-2 betrieblichen laufenden Konten, sollte im Privatbereich ein reines Konsumkonto existieren und ein anderes Konto für Vermögensaufbau sowie ein Bankkonto für die Steuerrücklage.

Informationen/Anmeldungen bei verschiedenen Institutionen

Die selbständige Tätigkeit ist beim Finanzamt anzumelden, dem Versorgungswerk und der Zahnärztekammer bekannt zu geben. Die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft erfolgt im Regelfall über den Steuerberater. Gegebenenfalls ist der TÜV für die Röntgenanlage zu erneuern, hier bitte den TÜV informieren.

Zusammenarbeit mit Dentallaboren

Bevor die Praxis eröffnet wird, kann man sich die für die Ausführung prothetischer Versorgungen in Frage kommenden Dentallabore anschauen und Gespräche mit den Eigentümern führen.
Übernimmt man ein größeres Eigenlabor, dann ist hier zunächst zu betrachten, inwiefern dieses kostendeckend arbeitet.

Unternehmertestament und Ehevetrag

Ist der Praxisübernehmer verheiratet und hat minderjährige Kinder, dann sollte er hinsichtlich der Praxis ein Testament zugunsten seines Ehegatten abschließen, damit im Todesfall die Praxis ohne die Einwilligung des Vormundschaftsgerichtes verkauft werden könnte. Ansonsten würden die Kinder Miterben der Praxis.
Auch die Transparenz hinsichtlich eines Ehevertrages ist für den jungen Unternehmer ein wichtiger Faktor.

nilsstrau Dieser Artikel wurde von Nils Strauß - ANTAX Steuerberatung geschrieben.

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