Juristische Probleme bei der Zahnarztpraxisübernahme

Zahnarztpraxis übernehmen aus juristischer Sicht

Für eine Praxisübernahme sprechen überzeugende und stichhaltige Argumente, die insbesondere auf Vorteilen gegenüber einer Praxisneugründung aufbauen. Zunächst kann ein etablierter Standort übernommen werden. Der Käufer wird von der Bekanntheit der Praxis bei den Patienten, bei anderen Zahnärzten und bei den übrigen Ortsansässigen profitieren. Eine Vielzahl der Patienten wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Praxis treu bleiben und das Vertrauensverhältnis zum Vorgänger auf den neuen Zahnarzt übertragen.

Eine Übernahme ist bereits wegen des bestehenden Patientenstamms weitaus weniger aufwändig als eine Neugründung. Sie ermöglicht dem Zahnarzt, direkt in einen laufenden Betrieb einzusteigen. Folge davon ist eine Risikominimierung. Insbesondere in den ersten Monaten Ihrer Tätigkeit ist die Wirtschaftlichkeit garantiert.

Doch gerade wegen des Aspekts der Wirtschaftlichkeit ist es für den jungen Zahnarzt von Bedeutung, hinsichtlich der Bedingungen der Verkaufsabwicklung informiert und abgesichert zu sein. Fehler führen schnell zu großen Verlusten.

Um die regelungsbedürftigen Punkte der Praxisübernahme zu kennen, sollten Sie sich zunächst über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen Überblick verschaffen, sowie die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Vorgaben eines Praxiskaufs, Risiken und Gestaltungsvarianten kennenlernen.

Mit dem folgenden Leitfaden werden Ihnen frühzeitig die Hilfestellung zur sorgfältigen Planung und Hinweise zu den relevanten Aspekten geboten, die Sie benötigen, um die elementare Entscheidung über den Schritt in die Selbständigkeit richtig treffen zu können.

1. Auswahl der Zahnarztpraxis für die Übernahme

Nachdem Sie herausgefunden haben, welche ausgeschriebene Praxis Sie zur Umsetzung ihrer Pläne anspricht, empfiehlt sich zunächst eine Analyse der Praxissituation. Verschaffen Sie sich einen persönlichen Eindruck von der Lage und der Ortschaft, benennen Sie die demographischen und für Sie problematischen Fragen (z.B. ÖPNV-Anbindung, geplante Verlegung von Haltestellen etc.). Informieren Sie sich über die Konkurrenzsituation und deren Entwicklung. Auf diese Weise erhalten Sie einen Überblick über die noch zu lösenden oder vertraglich zu regelnden Gesichtspunkte. Sie verschaffen sich zugleich ein erstes Gefühl für Gestaltungsspielräume.

2. Vertragsgegenstand und Praxiswert

Die Hauptleistungspflicht des Verkäufers liegt in der Eigentumsverschaffung, die des Käufers in der Verpflichtung zur Abnahme und zur Kaufpreiszahlung.

Es handelt sich allerdings nicht um den Verkauf der Arztpraxis als Einzelsache, sondern um einen sogenannten Unternehmensverkauf. Gegenstand der Praxisabgabe sind die materiellen und immateriellen Vermögenswerte der Arztpraxis. Der materielle Praxiswert ist der eigentliche Substanzwert, also Einrichtung, Geräte, Materialien. Als immaterieller Vermögenswert wird der ideelle Wert („Goodwill“) angesehen, der sich abseits der Praxiseinrichtung aus der Zusammenfassung aller Möglichkeiten, Chancen und Beziehungen einer gut eingeführten, allgemein bekannten Zahnarztpraxis mit einem festen Patientenstamm ergibt. Er bestimmt sich maßgeblich über den Praxisumsatz. Zur Erhebung dieser Werte kann ein Sachverständiger z.B. über die Industrie- und Handelskammern beauftragt werden.

Für die sich daran anschließende Ermittlung des Kaufpreises gibt es kein allgemeinverbindliches Verfahren. Hauptsächlich kommen die Umsatzmethode und die betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden zur Anwendung. Allen Verfahren wird der materielle Praxiswert und der Goodwill als Berechnungsbasis zugrunde gelegt. Die Auswahl der im konkreten Fall zu bevorzugenden Methode ergibt sich aus den durch den Sachverständigen gefundenen einzelnen Ergebnissen.

Oftmals werden im Vertrag Praxisinventar und besondere Rechte, wie z.B. bestehende Verträge, mitgeregelt. Sie sind durch ein Inventar- und Rechtsverzeichnis als Anlage zum Vertrag zu nehmen. Daneben sollten die Zeitpunkte für die Kaufpreisfälligkeit und die Übergabe geklärt werden.

Im Ergebnis bietet sich wegen meist größerer Zeiträume zwischen Vertragsschluss und -vollzug eine variable Preisregelung an.

3. Absicherung

In der Regel verfügt der Übernehmer zunächst nicht über den vollen Kaufpreis. Informieren Sie sich daher über Sicherungsmittel wie eine Bankbürgschaft zugunsten des Praxisverkäufers oder eine Risikolebensversicherung. Bedenken Sie, dass die Kosten des Sicherungsmittels (ca. 1,5 % bis 2,5 % der Bürgschaftssumme p.a.) im Rahmen der Finanzierung mit einzubeziehen sind.

4. Gewährleistungsrechte

Grundsätzlich stehen dem Praxiskäufer Gewährleistungsrechte für Sach- und Rechtsmängel zu, wie z.B. die Rechte auf Mangelbeseitigung, Minderung, Rücktritt oder Schadensersatz. Diese Rechte werden jedoch in der Regel bei Übernahmeverträgen ausgeschlossen. Es bleiben nur Ausnahmen für die Fälle arglistiger Täuschung durch den Verkäufer über bestimmte Eigenschaften der Praxis wie das Verschweigen von Mängeln, gefälschte Rechnungen und Auswertungen, Falschangaben über den Patientenstamm – sprich: über die Faktoren des Wertes der Zahnarztpraxis. Eine Täuschung berechtigt daneben zur Anfechtung des Kaufvertrags.

Lassen Sie deshalb die Einnahmen-Überschussrechnungen der letzten Jahre, die betrieblichen Auswertungen und die Abrechnungsbescheide der KV von einem kompetenten Berater prüfen. Denn im Falle einer Rückabwicklung treten erhebliche Schwierigkeiten auf, insbesondere wenn Sie räumliche, personelle oder organisatorische Veränderungen vornehmen.

5. Arbeitsrechtliche und steuerliche Haftungstatbestände

Außerdem spielt der arbeitsrechtliche Haftungstatbestand des § 613 a BGB eine Rolle: mit dem Praxisübergang geht der Eintritt in bestehende Arbeitsverhältnisse und in die damit verbundenen Verpflichtungen einher. D.h. rechtlich übernimmt der Zahnarzt mit Übernahme der Praxis auch die Arbeitsverträge der Helferinnen und sonstigen Angestellten der Praxis. Ein Sonderkündigungsrecht seitens des Übernehmers besteht nicht. Es empfiehlt sich, Einsicht in die vorhandenen Arbeitsverträge und die aktuelle Lohnliste zu nehmen. Aufgrund der einmonatigen Widerspruchsmöglichkeit der Arbeitnehmer zum Übergang des Arbeitsverhältnisses sollten diese mindestens drei Monate vor Übergang schriftlich informiert werden. Sonst verbleibt im Falle des Widerspruchs keine ausreichende Zeit zur Neubesetzung der Stelle.

Daneben haftet der Erwerber nach § 75 AO für betriebliche Steuern (Gewerbe-, Lohn- und Umsatzsteuer).

6. Laufende Verträge / Mietvertrag

Vorlegen lassen sollten Sie sich auch die übrigen laufenden Verträge, wie Leasingverträge für Geräte wie z.B. Cerec, DVT, etc, Sachversicherungen und insbesondere den Mietvertrag der Praxisräumlichkeit. Diese sind zu übernehmen bzw. gehen zum Teil automatisch über.

Mietverträge enthalten bisweilen ausdrückliche Regelungen zur Praxisnachfolge, insbesondere die vorweggenommene Zustimmung des Vermieters. Diese Klauseln sind häufig mit Einschränkungen, z.B. betreffend die Bonität des Erwerbers, versehen.

Fehlt eine entsprechende Regelung, sollte vom Vermieter eine verbindliche Erklärung über den Eintritt in den bestehenden oder über den Abschluss eines neuen Mietvertrags eingeholt werden. Ist diese Erklärung bei Abschluss des Kaufvertrags noch nicht abgegeben, rät sich der Abschluss des Übernahmevertrags unter der auflösenden Bedingung der Erklärungsabgabe der Vermieters an. Anderenfalls besteht die Gefahr, die Räume nicht übernehmen zu können und keine geeigneten örtlichen Ersatzräume zu finden!

7. Patientenstamm und Schweigepflicht

Die Patientenkartei kann wegen des Rechts der Patienten auf informelle Selbstbestimmung und wegen der Schweigepflicht des Verkäufers nicht ohne weiteres übergehen. Allerdings ist gerade die Kartei von elementarer Bedeutung für eine funktionierende Nachfolge. In Betracht kommt hier z.B. eine Zustimmungserklärung der Patienten bereits vor Praxisübergabe, die durch eine Unterschrift beim letzten Arztbesuch oder auch durch ein Anschreiben eingeholt werden kann. Auf beide Weisen wird jedoch nur eine teilweise (Rücklauf-)Quote erreicht werden können. Jedenfalls in Höhe dieser Quote ist eine Übereignung der Kartei mitsamt der Krankenunterlagen vertraglich regelbar. Um den Zugriff auf die Daten zu ermöglichen, wird darüber hinaus im Rahmen des Kaufvertrags ein Treuhand- oder Verwahrungsvertrag geschossen. Darin verpflichtet sich neue Praxisinhaber, die Kartei getrennt von der eigenen Kartei aufzubewahren und nur Zugriff darauf zu nehmen, wenn der Patient dies ausdrücklich wünscht. Ist die Regelung nicht sorgfältig getroffen, besteht die Gefahr, dass sie nichtig ist.

8. Rückkehrverbot

Eine Konkurrenzschutzklausel ist sinnvoll, um der erneuten und damit konkurrierenden Niederlassung des verkaufenden Zahnarztes in der näheren Umgebung vorzubeugen. Im Ergebnis können Sie sich damit also den Patientenstamm erhalten, für den ein Großteil des Goodwills anfällt. Aber Achtung: werden die strengen Anforderungen an den Klauselinhalt nicht berücksichtigt, kann es zur Unwirksamkeit der Regelung kommen. Die Klausel muss eine gegenständliche, räumliche und zeitliche Beschränkung (maximal drei Jahre) beinhalten. Sie sollte jede ärztliche Tätigkeit des Verkäufers, z.B. auch die Arbeit in einem Medizinischen Versorgungszentrum, ausschließen. Die zulässige räumliche Begrenzung richtet sich individuell nach dem jeweiligen Einzugsbereich. Das Wettbewerbsverbot sollte durch eine Vertragsstrafe abgesichert werden, denn sonst besteht nur ein deutlich weniger wirksamer Unterlassungsanspruch.

9. Übergangsgemeinschaft

Um einen sanften Übergang zu ermöglichen, kann es von Interesse sein, eine Übergangs-Berufsausübungsgemeinschaft mit dem Verkäufer der Praxis zu gründen. Eine entsprechende Vertragsregelung führt zur Zusammenarbeit und damit zur besseren Überleitung der Patienten. In der Regel sieht sie auch das Ausscheiden des Verkäufers zu einem bestimmten Stichtag vor.

10. Weiteres Vorgehen

Insgesamt ist es ratsam, sich ausreichend Zeit für die wichtigen Schritte in die Selbständigkeit zu nehmen. Diese ist nötig, um nicht nur die richtige Objektauswahl zu treffen, sondern auch, um sämtliche Unterlagen einzuholen, die zum Abklopfen und zur Regelung der Risikopunkte und der individuell sinnvollen Zustände erforderlich sind. Selbstverständlich werden im Rahmen der Detailplanung noch weitere Beachtlichkeiten auf Sie zukommen.

Wird der Entschluss zur Praxisübernahme konkret, empfiehlt sich ein objektiver und kompetenter Berater, denn maximale Wirtschaftlichkeit, fehlerfreie und sorgfältige Detailplanungen sowie professionelle Vertragsgestaltungen erfordern Fachwissen und Erfahrung. Lassen Sie sich bei Gesprächen und Verhandlungen von spezialisierten Beratern begleiten. Schließlich liegt ein reibungsloser Ablauf der Praxisübernahme im Interesse beider Seiten.

Dieser Artikel wurde von Dr. jur. M. Wintterle geschrieben.

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